Das Corona-Virus und die damit verbundenen Auswirkungen bestimmen seit vielen Wochen nahezu jeden Bereich unseres Lebens. Obwohl vielerorts Einschränkungen Stück für Stück abgebaut werden – Restaurants dürfen öffnen, ein verminderter Schulbetrieb ist angelaufen und selbst Freibäder bereiten sich auf den baldigen Beginn der Saison vor – sind wir weit von unserer gewohnten Normalität entfernt. Das gefällt sicher kaum jemanden – aber einige wenige können sich so gar nicht damit abfinden. Dabei ist die Grenze zwischen einem kritischen Hinterfragen der aktuellen Restriktionen und abstrusen Fantastereien nicht selten fließend. Das birgt ein gefährliches Potential, denn ein kritischer Geist ist kein Verschwörungstheoretiker und will keinesfalls als ein solcher bezeichnet werden. Ein Verschwörungstheoretiker hingegen will auch nicht als ein solcher tituliert werden und sucht deshalb nicht selten den Schulterschluss mit den Hinterfragenden.
Die Vorstellung an COVID-19 zu erkranken ist bedrohlich. Wir Menschen mögen aber nun mal keine Bedrohungslagen und versuchen individuell mit diesen umzugehen. Hierzu gibt es zahlreiche Möglichkeiten – eine einfache ist die Verleugnung. In der Psychoanalyse wird sie als das innerpsychische Pendant zum Abwenden des Blickes von einer Gefahrenquelle beschrieben. Bedrohliche Stücke äußerer Wirklichkeit können auf diese Weise als nicht existent anerkannt (oder durch wunscherfüllende Fantasien ersetzt) werden.
Bereits zu Beginn der Pandemie fiel auf, dass sich dieses Verhalten in der Öffentlichkeit mit einer anderen Thematik längst etabliert hat: der menschengemachte Klimawandel und seine beharrliche Leugnung. In dem „COVIDeniers Report“ der US-amerikanischen Rechercheplattform Desmogblog.com heißt es dazu: „The climate science denial machine created by the fossil fuel industry is now a major source of COVID-19 disinformation. Deniers have deployed many of the same tactics they have used to attack climate scientists and delay action to downplay the severity of the coronavirus outbreak and sow distrust in the response efforts of governments, scientists and the medical community — with deadly consequences that are now unfolding before our eyes.“
Den Leugnern des menschengemachten Klimawandels steht die überwältigende Mehrheit der ernstzunehmenden Wissenschaftler*innen weltweit gegenüber. Trotzdem halten sich Falschmeldungen, Polemik und Fantastereien hartnäckig – siehe: Bedrohliches kann mittels Verleugnung durch wunscherfüllte Fantasien ersetzt werden. Aus dem harten Kern dieser Fraktion ist kaum jemand durch Argumente wieder auf den Boden der (belegbaren & wissenschaftlich begründeten) Wirklichkeit zu setzen. Eine Chance, den Verschwörungstheorien zu entrinnen, haben aber Mitläufer oder „falsch abgebogene“ kritische Geister. Ähnlich verhält es sich mit der Corona-Pandemie.
Jede und jeder muss zu einem gewissen Grad selbst entscheiden, wie sie/er unter den gegebenen Umständen agiert. Das gilt für das persönliche Verhalten als auch für den Umgang mit „alternativen Fakten“. Das Sprüchlein: „Das wird man doch mal sagen/fragen dürfen!“ fällt in diesem Zusammenhang ja häufiger. Glücklicherweise darf man in unserer Demokratie alles sagen – das bedeutet aber nicht, dass es wahr ist oder Sinn macht. Und hier sind wir wieder beim individuellen Verhalten. Nämlich, wie man auf gewisse Aussagen reagiert und wie man den Absender daraufhin einschätzt.
Egal, wo man die Grenze nun auch zieht, wir sollten alle gemeinsam darauf achten, dass die Gräben zwischen uns nicht größer werden und stattdessen erst einmal den Dialog suchen. Ein Gespräch auf Augenhöhe muss nicht immer zum Überzeugen des Anderen führen, kann das Miteinander aber entscheidend verbessern.
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