Stell Dir ein Getreidefeld vor. Hochgewachsene Halme werden mit ihren Ähren sanft vom Wind gewogen. Ein einheitliches, fast uniformes Bild, entsteht in der eigenen Vorstellung. Zumindest ist es bei den allermeisten Menschen so, denn die vorherrschende Landwirtschaft bietet genau diesen Anblick. So weit das Auge reicht: Weizen, Gerste, Roggen… War das mal anders? Hatten unsere Großeltern ein anderes Bild vor Augen, wenn sie an die Bewirtschaftung eines Ackers gedacht haben? Ja! Und dass wir das ändern müssen, hat nichts mit Romantik oder Nostalgie zu tun. Ein Exkursionsbericht.
Was viele Menschen nicht mehr mit Landwirtschaft assoziieren, sind die so genannten Ackerwildkräuter. Seit tausenden Jahren sind sie ständiger Begleiter der Landwirtschaft, prägen ihr Bild und sind maßgeblich an der Gestaltung der dortigen Lebensräume beteiligt.
Doch die ehemals so facettenreiche Vielfalt schmilzt erheblich. Seit der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts sind etwa 90% der Ackerbegleitflora verloren gegangen. Gründe sind extensive Düngung, sehr dichte Bestände, der ungebrochene Einsatz von Pestiziden sowie kaum Brachen als Rückzugsgebiete für Flora und Fauna. Insekten, Vögel und auch Säugetiere leiden unter dieser extremen Entwicklung. Die rasante Abnahme der Biodiversität ist eines der Megaprobleme der Landwirtschaft.
Die Landwirte in der Verantwortung zu sehen und auf Besserung zu hoffen, ist aber natürlich zu kurz gedacht. Dinge zu ändern, Probleme anzupacken, bedarf vieler Hände und natürlich auch dem Verständnis vieler für diese drängenden Aufgaben. Wir, die Rheinsberger Preussenquelle, luden daher gemeinsam mit dem Landschaftspflegeverband Prignitz-Ruppiner Land e.V. und dem Naturpark Stechlin-Ruppiner Land Mitte Juni zu einer Exkursion nach Binenwalde, gelegen am herrlichen und glasklaren Kalksee.
Knapp 25 Gäste, darunter zahlreiche Landwirte, folgten der Einladung und wurden von Andreas Bergmann (LPV Prignitz Ruppiner-Land e.V. ) und Frank Stieldorf (Rheinsberger Preussenquelle) herzlich begrüßt. Thema der Rundwanderung war, wie Ackerbau zum Umweltschutz beitragen kann und dies ganz konkret durch Schutz und Förderung der Ackerwildkräuter.
Dazu wurden mehrere Orte und Felder angesteuert, auf denen jeweils unterschiedliche Projekte genau dieses Ziel verfolgen.
Erster Halt: Blühflächen. Diese wurden im letzten Jahr gesät und durch den LPV gefördert. Seit der Aussaat im Frühjahr 2019 wurde der Bereich nicht mehr bewirtschaftet und auch nicht im Herbst gemäht. Ergebnis ist ein Überwinterungsrefugium für zahllose Insekten. Eine weitere Fläche, mit der gleichen Blühsaatenmischung erhielt zusätzlich eine Beweidung durch Schafe. Hier ist aktuell ein deutlich stärkerer Blühaspekt zu beobachten, da die Samen der Blühpflanzen des Vorjahres durch die Schafe im Boden aktiviert wurden.
Solche und ähnliche Versuche sind notwendig, um die Blühflächenbewirtschaftung weiter zu evaluieren und zu verbessern. Die bisherigen Ergebnisse lassen hoffen, dass man auf dem richtigen Weg ist.
Der Weg führte die Gruppe weiter zu einem mageren, also nährstoffarmen Standort. Hier ist der Ackerwildkrautschutz besonders wichtig, da diese Böden immer seltener werden. Gerade in Brandenburg sind in den letzten Jahren die nährstoffarmen Böden für den Export von Gülle, Fugat aus Biogasanlagen und Klärschlamm aus anderen, sehr belasteten Regionen attraktiv geworden.
Auf dem Beispielfeld wurde die Aussaatstärke des Winterroggens stark reduziert und damit Licht und Raum für Ackerwildkräuter geschaffen. Zudem wurde auf Maßnahmen zur Düngung und zum Pflanzenschutz verzichtet. Die Ertragseinbußen werden durch den dort geschlossenen Vertragsnaturschutz kompensiert. (Die Bearbeitung entsprechender Verträge erfolgt in seinem Gebiet durch den Naturpark Stechlin-Ruppiner Land, Ansprechpartner ist Heiko Strobel – außerhalb der Region kann der LPV als Vermittler zwischen den Vertragsnehmern und den zuständigen Bearbeitern des LfU fungieren.)
Die letzte Station widmete sich dem Thema der Vermehrung von Ackerwildkräutern. Auf vielen Standorten in der Region des Naturparks Stechlin Ruppiner Land sind wichtige Arten in den vergangen 30 Jahren verloren gegangen. Dies ging aus dem Vergleich von Monitordaten aus den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts und aus aktuellen Erhebungen hervor, wie Silke Oldorff vom Naturpark Stechlin Ruppiner Land zeigen konnte.
In ihrem Vortrag stellte sie verschiedene Verfahren vor, die aktuell erprobt werden, um zu prüfen, wie seltene Ackerwildkräuter wieder vermehrt werden können. Durch ein längerfristiges angelegtes Programm soll herausgefunden werden, ob noch Samenpotential aus dem Boden reaktiviert werden kann oder ob andere Verfahren hinzukommen müssen.
Dazu gehört das von Silke Oldorff betreute Projekt der gezielten Samenvermehrung seltener Ackerwildkräuter wie z.B. dem Lämmersalat (Arnoseris minima) oder dem Ferkelkraut (Hypochaeris radicata), das mit dem Betrieb Frank Rumpe und der Stiftung Rheinische Kulturlandschaft durchgeführt wird. Samen dieser Wildkrautarten sind direkt beim Naturpark oder über den LPV erhältlich
Der Rückweg führte über sandige Wege zwischen Feld und Wald zurück zum Ausgangspunkt. Dabei gab es noch einen Bienenschwarm auf Wanderschaft zu beobachten. Frank Stieldorf dankte den Referent*innen herzlich in seinen Abschlussworten und machte deutlich, wie wichtig ein tiefes Verständnis für die geschilderten und teils komplexen Zusammenhänge ist. Umso mehr freuten sich die Veranstalter, dass vor allem Landwirte die Gelegenheit genutzt hatten, mehr über ihre wichtige Rolle beim Schutz der Ackerwildkräuter zu erfahren.
Denn je mehr Menschen sich mit diesem Thema beschäftigen, aktiv werden und so Umweltschutz betreiben, desto wahrscheinlicher ist es, dass das Bild vom Ackerbau in unseren Köpfen immer weniger monoton und uniform ist, sondern mit bunten Farbtupfern von Klatschmohn, Kornblume und Feld-Rittersporn.
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