Wasser aus Deutschland ist das am besten kontrollierte Lebensmittel der Welt. Für viele Menschen ist dieser Satz so selbstverständlich, wie dass zwei und zwei gleich vier ist. Manfred Mödinger, Diplom-Ingenieur für Brauwesen und Getränketechnologie, will diese Aussage nicht stehen lassen: „Ich glaube, dass sich viele unter dem ‚am besten kontrollierten Lebensmittel‘ etwas anderes vorstellen als die Trinkwasser- oder die Mineralwasserverordnung vorgeben.“ Das liege unter anderem auch daran, dass die Mineral- und Tafelwasserverordnung größtenteils aus dem Jahr 1984 stammte. Die Regularien der Trinkwasserverordnung seien sogar noch älter. Die Konsequenz: Neuere Erkenntnisse zu Schadstoffen sind nicht erfasst.
Regionale Unterschiede in der Belastung
Wasser wird heute zumeist nur auf hygienische, also mikrobiologische, Verunreinigungen untersucht. Chemische Untersuchungen beschränken sich im Wesentlichen auf Nitrat. Die meisten Pflanzenschutzmittel und deren Abbauprodukte müssen nicht erfasst werden. Je nach Region ist das Wasser zudem mit weiteren, vom Menschen verursachten, Stoffen belastet: „Im Berliner Wasser gibt es beispielsweise Rückstände aus industrieller Tätigkeit und Arzneimitteln“, erklärt Mödinger. Auch polyfluorierte Chemikalien (PFC) finden sich immer häufiger im Trinkwasser. Sie sorgen zum Beispiel bei Funktionsbekleidung dafür, dass Wasser und Schmutz von der Kleidung abperlen, und sie machen die Membranen atmungsaktiv. Einige der Stoffe aus dieser Gruppe stehen laut Greenpeace im Verdacht, das Immunsystem zu beeinträchtigen, die Fruchtbarkeit zu schädigen sowie Krebs zu erregen. Grenzwerte für diese Stoffe im Wasser gibt es bislang nicht.
Umfassende Untersuchung der Entnahmestellen
Seit 1983 beschäftigt sich Mödinger, Mitbegründer der Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser, mit der Wasserqualität. Mödinger ist der Autor des „Schwarzbuchs Wasser“. Er hat aus einer Fülle amtlicher und wissenschaftlicher Veröffentlichungen den Zustand des deutschen Grund- und Trinkwassers ermittelt. Die darin aufgeführten Messungen gingen dabei weit über das hinaus, was in den Verordnungen fixiert ist. Die Ergebnisse sind alarmierend: Bei mehr als jeder vierten Grundwasserentnahmestelle in Deutschland wird der derzeit gültige Nitratgrenzwert von 50 Milligramm pro Liter überschritten. In fast jeder fünften Probe fanden sich Pestizide, keines der untersuchten Fließgewässer war frei von Medikamentenrückständen.
Beimischung von sauberem Wasser
Trinkwasserversorgern stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, um ihr Produkt unter die Grenzwerte zu bringen, erklärt Mödinger: „Wenn eine unmittelbare Gesundheitsgefährdung durch krankmachende Keime besteht, wird in aller Regel Chlor hinzugemischt. Das riechen die Verbraucher auch, wenn sie den Wasserhahn aufmachen.“ Ist die Nitratbelastung zu hoch, mischen die Versorger das verunreinigte Wasser mit Wasser aus sauberen Quellen. In Baden-Württemberg ist beispielsweise die Beimischung von Bodenseewasser in vielen Gemeinden üblich. Da die Belastung des Grundwassers in Deutschland fast überall steigt, wird sich der Aufwand für die Wasseraufbereitung zukünftig erhöhen – Kosten, die vermutlich an die Verbraucher weitergegeben werden. Treten bei Mineralbrunnen Verunreinigungen auf, muss das Unternehmen die Abfüllung sofort einstellen. Im Gegensatz zu Trinkwasserversorgern ist dies auch der Fall, wenn das Mineralwasser chemisch erheblich belastet ist. Erst wenn das Problem beseitigt ist, kann der Mineralbrunnen seine Arbeit wieder aufnehmen. Allerdings darf das Mineralwasser grundsätzlich nicht desinfiziert werden.
Strengere Regeln bei Bio-Mineralwasser
Bio-Mineralwasser wird noch strenger geprüft als herkömmliches Wasser. „Wir haben uns bemüht, beim Bio-Mineralwasser-Siegel die vielen Lücken in der Trink- und Mineralwasserverordnung zu schließen“, sagt Mödinger. Die Untersuchung von Bio-Mineralwasser ist daher erheblich umfangreicher als die gesetzlichen Vorgaben und erfasst alle Stoffe, die als Rückstände von Bedeutung sind. Zudem sind alle Grenzwerte sehr niedrig angesetzt. Dabei geht es nicht nur um Gesundheitsschutz, sondern um ein Qualitätsversprechen den Verbrauchern gegenüber. „Wir sprechen gerne vom Reinheitsgebot für Wasser: Im Bio-Mineralwasser darf so gut wie nichts von den Stoffen enthalten sein, die nicht dort hineingehören“, betont Mödinger. Damit ein Unternehmen das Siegel „Bio-Mineralwasser“ tragen darf, ist klar vorgegeben, wie oft das Unternehmen seine Quelle prüfen muss. Zudem gibt es jährlich eine umfassende Zertifizierung. Zum Bio-Mineralwasserkonzept gehört auch, dass sich Mineralbrunnen um ökologischen Landbau kümmern. Sie wirken laut Mödinger darauf ein, Landwirte im Einzugsgebiet des Brunnens zum ökologischen Landbau zu bewegen. Die Mineralbrunnen werden damit zu „Ökowasserbauern“. Damit soll der Grund und Boden, durch den auch das Mineralwasser fließt, optimal vor Verunreinigungen geschützt werden.
Manfred Mödinger ist Diplom-Ingenieur für Brauwesen und Getränke-technologie. Seine Arbeits-schwerpunkte sind nachhaltige Unternehmens-strategien, Qualitäts-forschung zu Mineralwasser, Erfrischungsgetränken, Bier und Bio-Produkten. Mödinger ist Mitbegründer der Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser e. V
Vielen Dank für den Beitrag zum Thema Wasser und ökologische Landwirtschaft. Mein Onkel arbeitet in der Landwirtschaft und achtet beim Einkauf im Landwirtschaftshandel auf die chemische Zusammensetzung der Produkte. Gut zu wissen, dass Wasser je nach Region unterschiedlich belastet ist.
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